Meister
Lampe leidet unter zu gutem Essen "SZ"-Serie über einheimische Säugetiere/Teil 33 - vom 23.03.2002 der Feldhase Was ist nur mit Meister Lampe los? Diese Frage stellen sich seit vielen Jahren Wildbiologen, Jäger und Naturschützer in unserem Lande. Denn es geht ihm schlecht, dem Feldhasen, und das seit Jahren. Daran ändert auch seine Beliebtheit nichts, die alljährlich in den Wochen um Ostern ihren Höhepunkt erreicht. Lässt man die nüchternen Zahlen sprechen, so zeigt sich, warum Meister Lampe eigentlich allen Grund hätte, seine Löffel traurig hängen zu lassen: 1936 wurden in Deutschland knapp drei Millionen Hasen zur Strecke gebracht, bis heute ging die Zahl der erlegten Mümmelmänner Jahr für Jahr auf heute noch etwa 450000 zurück. Noch drastischer ist die Entwicklung im Saarland: 1970 betrug die Hasenstrecke rund 13000 Tiere, während im Jagdjahr 2000 gerade noch 722 Exemplare geschossen wurden. Zwar liegt dieser Rückgang der Hasenstrecke auch daran, dass sich gerade die Jäger im Saarland bewusst zurückhalten, wenn sie auf Hasen anlegen. Doch der eigentliche Grund für die geringe Jagdstrecke ist schlicht und einfach, dass es heute viel weniger Hasen als früher gibt. Doch wo sind sie geblieben? Die Antwort der Wildbiologen ist verblüffend paradox, zumindest auf den ersten Blick. Der Feldhase, so das Ergebnis unzähliger Forschungsarbeiten, verhungert in unserer Landschaft am überreich gedeckten Tisch! Wie das? Noch nie war das Angebot an frischem Grün, sei es in Form von Raps, Mais, jungem Getreide oder Gräsern so reich und üppig wie in der heutigen Zeit; vor allem dank entsprechender Düngergaben, wie sie in der modernen Landwirtschaft üblich sind. Doch der Hase ist eigentlich ein Steppentier und daher magere, schwer verdauliche und eiweißarme Kost gewöhnt. Und vor allem ist für den Feldhasen Vielfalt überlebenswichtig: Er braucht nicht nur einfach Grün, sondern mümmelt gerne von den unterschiedlichsten Kräutern. Nicht umsonst sprechen Weidmänner von der Hasenapotheke, wenn sie wildkräuterreiche Streifen gezielt anlegen, um so den Hasenbestand in einem Gebiet zu fördern. Aber noch andere Ursachen sind des Hasen Tod: Große Felder, die innerhalb weniger Tage abgeerntet werden, rauben ihm die Deckung. Feuchte Frühjahre setzen ihm ebenfalls zu und führen zu tödlichen Erkrankungen der Hasenjungen. Pflanzenschutzmittel wirken sich negativ auf die sprichwörtliche Fruchtbarkeit der Häsinnen aus. Bis zu vier Mal im Jahr kann eine Häsin Junge werfen. Ein Wurf besteht dabei aus bis zu fünf Jungtieren, von denen allerdings bereits im ersten Sommer 80 Prozent sterben. Vor allem Krankheitserreger und Parasiten, weniger Fuchs und Habicht, sind die Ursache für diese hohen Verlustraten. Stimmen jedoch die anderen Lebensbedingungen, steckt Meister Lampe solche Verluste immer locker weg. Bei Häsinnen beobachtet man dabei ein Phänomen, das man als Doppelträchtigkeit bezeichnet: Wenige Tage vor der Geburt ihres Nachwuchses kann eine Hasenfrau erneut trächtig werden! In einem Horn der Gebärmutter befinden sich dabei die fast geburtsreifen Hasenbabys, während in einem anderen Horn bereits neues Hasenleben keimt. Die enorme Fruchtbarkeit des Feldhasen ist letztlich der Grund, warum der Hase seit alters her ein Frühlingssymbol ist. Er war das Lieblingstier der germanischen Erd- und Frühlingsgöttin Ostara und ist ein offenbar so sympathischer und volkstümlicher Geselle, dass er auch bei christlichen Osterbräuchen seinen festen Platz behalten hat. Eier legt der Osterhase - für ein Säugetier ja ein recht merkwürdiges Verhalten - übrigens erst seit dem 19. Jahrhundert! Für den Feldhasen taucht in den letzten Jahren ein kleiner Hoffnungsschimmer am Frühlingshorizont auf: Es gibt Anzeichen dafür, dass die Hasenzahl ihren Tiefstand erreicht hat, und es mit Meister Lampe wieder aufwärts geht! Martin von Hohnhorst
|